BFH-Urteil vom 18.01.1995 V R 139-142/92, BStBl. II S. 446
1.
Die mit alleinreisenden Erwachsenen getätigten Umsätze der Jugendherbergen
sind nicht gemäß § 4 Nr. 24 UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit. Die
Steuer auf diese Umsätze kann gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980 i. V. m.
§ 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F. zu ermäßigen sein.
2.
Jugendherbergen sind als Zweckbetriebe i. S. des § 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977
a. F. zu beurteilen, ohne daß es auf die Voraussetzungen des § 65 AO 1977
ankommt.
3.
Die Beherbergung alleinreisender Erwachsener kann ein selbständiger
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein, wenn sie sich aus tatsächlichen Gründen
von den satzungsgemäßen Leistungen an Jugendliche und Familien abgrenzen läßt.
Fehlt die Abgrenzbarkeit, verlieren Jugendherbergen ihre
Zweckbetriebseigenschaft nicht dadurch, daß sie außerhalb des satzungsgemäßen
Zwecks in geringem Umfang alleinreisende Erwachsene (zu gleichen Bedingungen
wie andere Gäste) beherbergen. Die Grenze, bis zu der solche Beherbergungen
unschädlich sind, ist mit 10 v.H. zu veranschlagen.
I.
Der
Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Von der
Finanzverwaltung ist anerkannt, daß er wegen Förderung der Jugendpflege und
Jugendfürsorge gemeinnützige Zwecke verfolgt (§ 52 der Abgabenordnung - AO
1977 -). Gemäß § 2 Nr. 2 seiner Satzung ist Zweck des Klägers die Förderung
der aktiven Freizeitgestaltung der Jugend und der Familien. Dieser
Satzungszweck wird insbesondere durch den Betrieb von Jugendherbergen
verwirklicht.
Von
den in den Streitjahren (1982 bis 1985) in den Jugendherbergen des Klägers
getätigten Übernachtungen entfielen auf alleinreisende Erwachsene im Alter
von mindestens 27 Jahren Übernachtungen und Entgelte in Höhe von X v.H. und
Y DM.
Der
Kläger beurteilte alle Übernachtungsumsätze als umsatzsteuerfrei gemäß §
4 Nr. 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Demgegenüber legte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die auf alleinreisende
Erwachsene entfallenden Entgelte der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz
zugrunde. Das FA war der Auffassung, daß insoweit die Umsatzsteuerbefreiung
gemäß § 4 Nr. 24 UStG 1980 nicht eingreife. Denn gemäß Absatz 3 des
Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) betreffend
Umsatzsteuerbefreiung für Jugendherbergswerke vom 20. August 1982 (BStBl I
1982, 695; jetzt Abschn. 118 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992) könne
die Steuerbefreiung für Leistungen an alleinreisende Erwachsene nur gewährt
werden, wenn der Umfang dieser Leistungen nicht mehr als 2 v.H. der maßgeblichen
Leistungen betrage. Die Besteuerung der an alleinreisende Erwachsene ausgeführten
Leistungen mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8
UStG 1980 komme nicht in Betracht, weil diese Umsätze im Rahmen eines
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, der nicht Zweckbetrieb sei, erbracht
worden seien. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Mit
der Klage machte der Kläger geltend: Jugendherbergen seien insgesamt als
Zweckbetriebe gemäß § 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 (in der bis zum 31.
Dezember 1989 geltenden Fassung - AO 1977 a. F. -) anzusehen. Gemäß § 14 AO
1977 erfordere ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb u.a. eine selbständige
Tätigkeit. Unter der selbständigen Tätigkeit sei die sachliche Selbständigkeit
der Betätigung zu verstehen. Voraussetzung für die Annahme einer sachlichen
Selbständigkeit der Erwachsenenunterbringung und -beköstigung sei die
Abgrenzbarkeit dieser Leistungen von den anderen Tätigkeiten der
Jugendherberge. Diese Voraussetzung sei aber nicht erfüllt, denn das
Leistungsverhalten gegenüber den alleinreisenden Erwachsenen hebe sich nicht
von der übrigen Betätigung der Jugendherbergen derart ab, daß eine
gesonderte wirtschaftliche Einheit vorliege. Der Tätigkeitsbereich der
Erwachsenenunterbringung und -beköstigung sei weder ein klar abgrenzbarer
Bereich, noch verfüge er über eigenes Personal, eigene Schlafräume, eigene
Speisesäle usw. Daher sei die Jugendherberge insgesamt als Zweckbetrieb
anzusehen. Eine Aufteilung in einen Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen
Geschäftsbetrieb sei auf Grund der fehlenden Selbständigkeit des Tätigkeitsbereichs
Erwachsenenunterbringung und -beköstigung nicht möglich. Im übrigen folge
bereits aus dem Wortlaut des § 68 AO 1977 a. F., daß die Tätigkeit der
Jugendherbergen insgesamt als Zweckbetrieb und damit als steuerunschädlicher
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen sei. Dem Gesetzgeber sei bekannt
gewesen, daß in den Jugendherbergen nicht nur Jugendliche, sondern auch
alleinreisende Erwachsene übernachteten. Dies habe der Gesetzgeber bewußt in
Kauf genommen, ohne eine bestimmte Höchstgrenze zu setzen, nach der die
Unterbringung und Beköstigung von alleinreisenden Erwachsenen steuerschädlich
sei.
Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:
a)
Die den alleinreisenden Erwachsenen gegenüber ausgeführten Umsätze seien
nicht gemäß § 4 Nr. 24 UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit, weil die den
Umsätzen zugrundeliegenden Leistungen nicht unmittelbar den Satzungszwecken
des Klägers gedient hätten. Das Schreiben des BMF vom 20. August 1982
enthalte in Absatz 3 eine Vereinfachungsregelung, deren Voraussetzungen im
Streitfall nicht vorlägen.
b)
Die im Streit befindlichen Umsätze unterlägen auch nicht gemäß § 12 Abs.
2 Nr. 8 UStG 1980 dem ermäßigten Steuersatz. Zwar kämen Jugendherbergen gemäß
§ 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F. als Zweckbetriebe in Betracht; die Annahme
eines Zweckbetriebs erfordere jedoch zusätzlich das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 65 AO 1977. Diese seien im Streitfall nicht gegeben.
Denn die Jugendherbergen des Klägers dienten nicht insgesamt, sondern nur
teilweise den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken des Klägers. Die
Leistungen an alleinreisende Erwachsene erfüllten nicht die satzungsmäßigen
Zwecke, seien nicht zur Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke erforderlich
und führten zu einer Konkurrenzsituation mit nichtbegünstigten Betrieben des
Beherbergungsgewerbes.
Hiergegen
wendet sich der Kläger mit der Revision. Er macht geltend, die Vorschrift des
§ 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F., die Jugendherbergen als Zweckbetriebe
bezeichne, sei Spezialregelung gegenüber § 65 AO 1977, dessen
Voraussetzungen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 68 Nr. 1
Buchst. b AO 1977 a. F. nicht zu prüfen seien. Diese Auffassung entspreche
der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Vereinsförderungsgesetzes
(VereinsFG) - Änderung des § 68 AO 1977 - (BTDrucks 11/4176, S. 12). Es
werde bei Jugendherbergen in Kauf genommen, daß diese nicht nur von
Jugendlichen benutzt werden. Zwar habe erst durch das VereinsFG vom 18.
Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2212, BStBl I 1989, 499) der Einleitungssatz des
§ 68 AO 1977 die Fassung "Zweckbetriebe sind auch: ..." erhalten.
Wie in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt, sei keine inhaltliche Änderung,
sondern nur eine Klarstellung der älteren Fassung "Als Zweckbetriebe
kommen insbesondere in Betracht: ..." beabsichtigt gewesen.
Der
Kläger beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer für die Jahre 1982 bis 1985
so festzusetzen, wie sie sich bei Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980
auf die mit alleinreisenden Erwachsenen getätigten Umsätze ergibt.
Das
FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das
FA vertritt die Auffassung, die Spezialregelung in § 68 Nr. 1 Buchst. b AO
1977 a. F. habe nur Vorrang vor der allgemeinen Definition des Zweckbetriebs
in § 65 AO 1977, soweit Jugendherbergen im Rahmen ihres (bzw. ihres Trägers)
satzungsmäßigen Zwecks tätig seien. Die Unterbringung und Verpflegung
alleinreisender Erwachsener diene nicht der Verwirklichung des Satzungszwecks
des Klägers. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine
differenzierte Würdigung der wirtschaftlichen Betätigung einer Einrichtung möglich.
Die Ausgrenzung der nicht dem Satzungszweck des Klägers dienenden
wirtschaftlichen Tätigkeiten in den Jugendherbergen sei wegen der
Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts auch geboten, weil die
Jugendherbergen ansonsten steuerbegünstigt in Wettbewerb zu Hotel- und Gaststättenbetrieben
treten könnten.
II.
Die
Revision ist begründet. Das FG hat die Zweckbetriebseigenschaft von
Jugendherbergen (§ 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F.) verkannt. Die
Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Es kommt zwar in Betracht, daß sich
das Urteil des FG aus anderen Gründen als richtig darstellt. Mangels
hinreichender Feststellungen kann der Senat über diese Frage aber nicht
abschließend entscheiden. Die Sache war folglich an das FG zurückzuverweisen.
1.
Die mit den alleinreisenden Erwachsenen getätigten Umsätze sind nicht gemäß
§ 4 Nr. 24 UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung umfaßt
u.a. die Leistungen der dem Deutschen Jugendherbergswerk, Hauptverband für
Jugendwandern und Jugendherbergen e. V., angeschlossenen Untergliederungen,
soweit die Leistungen den Satzungszwecken unmittelbar dienen. Zweck des Klägers,
der als Landesverband eine Untergliederung des Deutschen Jugendherbergswerks
darstellt, ist gemäß § 2 Nr. 3 der Satzung der Betrieb von Jugendherbergen,
die der Freizeit und Bildung der Jugend, dem Familienwandern,
Schullandheimaufenthalten sowie der internationalen Begegnung dienen. Die mit
den alleinreisenden Erwachsenen getätigten Umsätze fallen nicht unter diese
Aufzählung. Sie dienen demnach nicht - zumindest nicht unmittelbar - dem
Satzungszweck des Klägers.
2.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980 ermäßigt sich die Steuer für die Umsätze
der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige
oder kirchliche Zwecke verfolgen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, daß diese Vorschrift auf die in Jugendherbergen getätigten Umsätze
nicht anwendbar ist. Zwar hat der Gesetzgeber in § 4 Nr. 24 UStG 1980 die
unmittelbar Satzungszwecken dienenden, in Jugendherbergen ausgeführten
Leistungen (vollständig) befreit. Die Verwendung des Wortes
"unmittelbar" spricht dafür, daß dem Gesetzgeber bewußt war, in
Jugendherbergen würden auch Leistungen ausgeführt, die nicht oder nicht
unmittelbar den Satzungszwecken dienen. Hätte er für diese Leistungen die
Steuerermäßigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980 von vornherein
ausschließen und § 4 Nr. 24 UStG 1980 als abschließende Steuerbegünstigung
der Jugendherbergen ansehen wollen, hätte er dies aber ausdrücklich
aussprechen müssen.
3.
Die Steuerermäßigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980 gilt nicht für
Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt
werden. Nach § 64 AO 1977 a. F. geht die Steuervergünstigung nicht verloren,
soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb ist. Die
allgemeine Definition eines Zweckbetriebs findet sich in § 65 AO 1977; die
§§ 66 bis 68 AO 1977 enthalten ergänzende Regelungen. Gemäß dem
Einleitungssatz des § 68 AO 1977 a. F. kamen die dort nachfolgend aufgeführten
Einrichtungen (u.a. Jugendherbergen nach Nr. 1 Buchst. b) als Zweckbetriebe
"in Betracht".
a)
Entgegen der Auffassung des FG sind Jugendherbergen als Zweckbetriebe zu
beurteilen, ohne daß es auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 65 AO
1977 ankommt. Diese Auslegung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang
der Regelungen in § 65 AO 1977 und § 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F.
aa)
Der Wortlaut des Einleitungssatzes in § 68 AO 1977 a. F. gibt den Sinn und
Zweck der Regelung nur unvollkommen wieder. Ein am buchstäblichen Ausdruck
haftendes Verständnis ließe diese Vorschrift als überflüssig erscheinen,
da es bei der Mehrzahl der in § 68 AO 1977 a. F. genannten Einrichtungen
selbstverständlich ist, daß sie Zweckbetriebe sein können. Es wird deshalb
zu Recht überwiegend angenommen, daß der Vorschrift über ihren Wortlaut
hinaus Vorrang vor § 65 AO 1977 zukam.
bb)
Nach der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung, wie sie in der Begründung
zum Entwurf eines VereinsFG (BTDrucks 11/4176, S. 12) geäußert worden ist,
normierte § 68 AO 1977 a. F. die Zweckbetriebseigenschaft der genannten
Einrichtungen, ohne daß die allgemeinen Voraussetzungen des § 65 AO 1977 für
die Annahme eines Zweckbetriebs geprüft (und bejaht) werden mußten. Diese
Auslegung sei - so wird dort weiter ausgeführt - zwingend, weil bei einigen
Einrichtungen die allgemeinen Zweckbetriebsvoraussetzungen nie erfüllt sein könnten
und dem § 68 AO 1977 a. F. insoweit rechtsbegründende Wirkung beizumessen
gewesen sei. Da diese Rechtslage durch den Einleitungssatz nicht gestützt
worden sei, müsse dieser durch die Formulierung "Zweckbetriebe sind
auch:" in der zu ändernden Abgabenordnung klarer gefaßt werden.
cc)
Die Rechtsprechung des BFH bejaht im Verhältnis der genannten Vorschriften
zueinander einen Vorrang des § 68 AO 1977 a. F. Nach dem Urteil vom 4. Mai
1994 XI R 109/90 (BFHE 175, 1, BStBl II 1994, 886, unter II.1.) geht § 68 AO
1977 a. F. (uneingeschränkt) als spezielle Norm der Regelung des § 65 AO
1977 vor. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 18. Oktober 1990 V R
35/85 (BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter II.3., vorletzter Absatz) den
Vorrang (nur) im Verhältnis von § 68 Nr. 2 AO 1977 a. F. zu § 65 Nr. 3 AO
1977 ausgesprochen.
Das
FG beruft sich für seine Ansicht, die in § 68 AO 1977 a. F. genannten
Einrichtungen seien nur dann Zweckbetriebe, wenn die Voraussetzungen des § 65
AO 1977 gegeben sind, zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 2. März 1990 III R
89/87 (BFHE 161, 277, BStBl II 1990, 1012, unter 3.d). In dieser Entscheidung
wurde die Frage, ob die Vermietung von Sportstätten an Nichtmitglieder ein
Zweckbetrieb i. S. des § 68 Nr. 7 Buchst. b AO 1977 a. F. ("sportliche
Veranstaltungen") ist, verneint, so daß sich die Prüfung auf die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 AO 1977 beschränkte und das Verhältnis
der beiden Vorschriften zueinander nicht zu erörtern war.
dd)
Im Schrifttum vertraten Klein/Orlopp (Abgabenordnung, 3. Aufl. 1986, § 68
Anm. 1) die Auffassung, ein Zweckbetrieb i. S. des § 68 AO 1977 a. F. läge
nur vor, wenn auch die Voraussetzungen des § 65 AO 1977 gegeben sind; im übrigen
wurde zum Teil unterschieden zwischen deklaratorischen und konstitutiven
Teilen der Aufzählung in § 68 AO 1977 a. F. (so Scholtz in Koch,
Abgabenordnung, 3. Aufl. 1986, § 68 Rz. 2) und eine Durchbrechung des § 65
AO 1977 nur partiell angenommen (vgl. insbesondere Herbert, Der
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des gemeinnützigen Vereins, 1988, 142 ff.,
161).
ee)
Der Senat läßt dahinstehen, ob eine alle Teile des § 68 AO 1977 a. F.
umfassende Aussage zum Verhältnis zu § 65 AO 1977 möglich ist oder ob ein
Vorrang des § 68 AO 1977 a. F. nur hinsichtlich einzelner in dieser
Vorschrift angeführter Tatbestandsmerkmale gegeben ist. Jedenfalls schließt
sich der Senat der im Urteil in BFHE 175, 1, BStBl II 1994, 886 geäußerten
Auffassung vom Vorrang des § 68 AO 1977 a. F. insoweit an, als dessen
Regelung Jugendherbergen betrifft (Nr. 1 Buchst. b). Diese Vorschrift wäre überflüssig,
wenn sie lediglich erlauben würde, die Zweckbetriebseigenschaft einer
Jugendherberge "in Betracht zu ziehen". Denn es versteht sich von
selbst, daß Jugendherbergen Zweckbetriebe sein können. Darüber hinaus
ergibt sich z.B. aus der Berücksichtigung von Lotterien (Nr. 6), die die
Voraussetzungen des § 65 AO 1977 nicht erfüllen können, daß § 68 AO 1977
a. F. zumindest in Teilen lex specialis gegenüber § 65 AO 1977 sein muß. In
bezug auf Jugendherbergen spricht für eine Qualifizierung als Specialregelung
die Erwägung, daß dem Gesetzgeber die Satzungszwecke und tatsächlichen Verhältnisse
der Jugendherbergen bekannt gewesen sein dürften. Aufgrund dieses Umstandes
der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der wirtschaftlichen Betätigung, der
bei anderen Einrichtungen, wie z.B. "kulturellen Veranstaltungen"
(Nr. 7 Buchst. a) nicht in gleichem Maße gegeben ist, erscheint die Annahme
gerechtfertigt, der Gesetzgeber habe bezüglich der Jugendherbergen in § 68
Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F. eine abschließende Regelung über deren
Zweckbetriebseigenschaft getroffen.
b)
Das Urteil des FG ist mit den vorstehenden Rechtsausführungen nicht
vereinbar. Die Abweisung der Klage durch das FG würde sich im Ergebnis
gleichwohl als richtig erweisen, wenn der Kläger in seinen Jugendherbergen
die Leistungen an alleinreisende Erwachsene im Rahmen eines selbständigen
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der nicht Zweckbetrieb ist, erbracht hätte
oder wenn die Jugendherbergen des Klägers durch die nicht satzungsgemäße
Beherbergung alleinreisender Erwachsener ihre Zweckbetriebseigenschaft
(insgesamt) verloren hätten.
Die
Entscheidung hierüber hängt davon ab, ob sich die satzungsgemäßen und die
nicht satzungsgemäßen Leistungen tatsächlich voneinander unterscheiden, und
im Fall fehlender Unterscheidbarkeit davon, ob die nicht satzungsgemäßen
Leistungen von ganz untergeordneter Bedeutung sind oder nicht.
aa)
Der III. Senat des BFH hat im Urteil in BFHE 161, 277, BStBl II 1990, 1012,
unter 3.d die Auffassung vertreten, die Nutzungsüberlassung einer einzelnen
Sportstätte durch einen Verein an Mitglieder und Nichtmitglieder könne zur
Annahme zweier Betriebe, eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs und eines
steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, führen. Die Zulässigkeit
dieser Differenzierung ergebe sich aus dem Wortlaut des § 64 AO 1977 a. F.
("insoweit" und "soweit nicht ein Zweckbetrieb ... gegeben
ist"). Eine solche getrennte Würdigung vergleichbarer wirtschaftlicher
Aktivitäten eines Vereins setze indessen voraus, daß sich die einzelnen Tätigkeiten
auch tatsächlich voneinander unterscheiden.
Im
Urteil vom 13. März 1991 I R 8/88 (BFHE 164, 57, BStBl II 1992, 101, unter
II. 2.) hat sich der I. Senat des BFH dieser Auffassung angeschlossen und bei
der Nutzungsüberlassung von Sportstätten unterschieden zwischen der dem
Zweckbetrieb "sportliche Veranstaltung" entsprechenden Nutzungsüberlassung
und der in diesem Rahmen erfolgenden Überlassung für Zwecke der
Bandenwerbung (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb).
bb)
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung für die
Beherbergung in Jugendherbergen an. Auch in diesen Fällen begründet die
Regelung in § 64 AO 1977 a. F. die Möglichkeit der Trennung der Aktivitäten
in einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb einerseits und einen steuerschädlichen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb andererseits. Sofern die Beherbergung
alleinreisender Erwachsener nach den tatsächlichen Umständen ihrer Ausführung
von den übrigen Leistungen der Jugendherbergen unterschieden werden kann,
liegt ein selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, der nicht
Zweckbetrieb ist und dessen Umsätze der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz
unterliegen. Kriterien der Unterscheidbarkeit können z.B. die Art der
Reservierung, die Beherbergungsentgelte, die Größe und Ausstattung der
Zimmer, die Verpflegung, der Service und die Beteiligung der Herbergsgäste an
der Gemeinschaftsarbeit sein.
cc)
Werden hingegen die Leistungen an alleinreisende Erwachsene zu den gleichen
tatsächlichen Bedingungen ausgeführt wie die übrigen
Beherbergungsleistungen, sind alle Leistungen als im Rahmen eines Betriebes
erbracht anzusehen, der einheitlich entweder Zweckbetrieb oder steuerschädlicher
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist.
Jugendherbergen
sind Zweckbetriebe nur insoweit, als sich ihre Umsätze im Rahmen des
Satzungszwecks halten. Die Steuerbegünstigung soll nach ihrem Sinn und Zweck
nicht eingreifen für "Jugendherbergen", die sich nicht satzungsmäßig
betätigen. Allerdings läßt nicht jede geringfügige, außerhalb des
Satzungszwecks liegende Tätigkeit die Zweckbetriebseigenschaft entfallen.
Dies ergibt sich aus dem in § 65 Nr. 1 AO 1977 enthaltenen Gedanken, wonach
ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, um Zweckbetrieb zu sein, (nur) in
seiner Gesamtrichtung dazu dienen muß, die steuerbegünstigten Zwecke der Körperschaft
zu verwirklichen.
dd)
Ebenso wie der III. Senat des BFH im Urteil vom 10. Januar 1992 III R 201/90 (BFHE
167, 470, BStBl II 1992, 684) die Vermietung einer Tennishalle als
(einheitlichen) Zweckbetrieb beurteilt hat, weil die steuerschädliche
Vermietung an Nichtmitglieder nur von untergeordneter Bedeutung war, bleibt
deshalb im Streitfall die Zweckbetriebseigenschaft der Jugendherbergen
erhalten, wenn die der Satzung nicht entsprechende Beherbergung
alleinreisender Erwachsener unwesentlich gewesen ist. In einem solchen Fall
ist davon auszugehen, daß die entgeltlichen Beherbergungen in ihrer
Gesamtrichtung dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke
der Jugendherbergen bzw. ihres Trägers - Förderung der aktiven
Freizeitgestaltung der Jugend und der Familien - zu verwirklichen. Dies reicht
für die Anwendung des § 68 Nr. 1 Buchst. b AO 1977 a. F. aus.
Aktivitäten
außerhalb des Satzungszwecks sind von untergeordneter Bedeutung, wenn sie
unterhalb der Grenze liegen, bis zu der allgemein eine wirtschaftlich
unbedeutende Betätigung oder anderweitige Nutzung angenommen wird. Der III.
Senat des BFH hat in BFHE 167, 470, BStBl II 1992, 684 (unter 2.) unter
Hinweis auf frühere Rechtsprechung die Grenze bei 10 v.H. angenommen,
gemessen an der Zeitdauer der Vermietung. Der erkennende Senat schließt sich
dieser Beurteilung für die Beherbergung alleinreisender Erwachsener in
Jugendherbergen an. Dabei kann in diesem Fall die genannte Grenze anhand der
Zahl der Übernachtungen gezogen werden. Für den Streitfall folgt daraus, daß
- sofern die Beherbergung alleinreisender Erwachsener nicht als selbständiger
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen ist - die Jugendherbergen
durch eben diese Leistungen wegen Unterschreitens der Grenze ihre
Zweckbetriebseigenschaft nicht verloren haben.
4.
Da das FG keine Feststellungen zur Frage der Unterscheidbarkeit der an die
alleinreisenden Erwachsenen erbrachten Leistungen getroffen hat, kann der
Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des FG im Ergebnis als richtig
darstellt. Das FG hat die fehlenden Feststellungen nachzuholen und danach
erneut in der Sache zu entscheiden. |